Feste Erde

4.3 Plattenbewegungen und Rotationen auf einer Kugel

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Video: Plattenbewegungen und Rotationen auf einer Kugel

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Eingangsbild: Die Erde (Bildquelle: pixabay).

Kapitel 4.3

Plattenbewegungen und Rotationen auf einer Kugel

Sämtliche Plattenbewegungen finden auf der Erdkugel statt. Deswegen ist es für die Betrachtung von Plattenbewegungen sehr hilfreich, sich mit der Geometrie von Plattenbewegungen insbesondere mit dem Blick auf eine Kugel, auf der diese Bewegungen ablaufen, auseinanderzusetzen. Für die Plattentektonik ist dies von fundamentaler Bedeutung, denn daraus ergeben sich geometrische Zwänge, die wir in den Platten und insbesondere ihren Grenzen deutlich sehen können.

Abb.4.3.1: Plattenmuster der Erde (aus Meschede, 2018)

Die Kugelform der Erde führt dazu, dass alle Platten auf der Erde zusammen ein geschlossenes System bilden, wie in Abbildung 4.3.1 gezeigt. Es gibt keine Lücke zwischen zwei Platten und trotzdem bewegen sich alle Platten in ganz unterschiedlicher Weise gegeneinander, voneinander weg und aneinander vorbei. Das System muss geschlossen bleiben, denn ein Loch darf nirgendwo entstehen. Dafür reichen die drei verschiedenen Typen von Plattengrenzen die es gibt aus: divergente Plattengrenzen, dort wo Spreizung am mittelozeanischen Rücken stattfindet, konvergente Plattengrenzen mit einer Subduktionszone oder bei der Kollision zweier Platten, und konservative Plattengrenzen mit Transformstörungen. An Spreizungszonen entsteht neue ozeanische Lithosphäre. Zwei Platten weichen auseinander und der sich dazwischen öffnende Raum wird mit neuer ozeanischer Kruste bzw. Lithosphäre ausgefüllt. Das funktioniert aber nur, wenn gleichzeitig an anderer Stelle auf der Kugel etwas weggenommen wird, denn wenn das nicht passieren würde, müsste die Erdkugel immer größer werden. Das wäre dann kein geschlossenes System mehr, was aber nicht möglich ist, weil die Erde nichts an Masse gewinnt. Die Erde löst das Problem mit Subduktionszonen. Dort wird ozeanische Lithosphäre wieder in den Erdmantel zurückgeführt und weil wir uns auf einer Kugel befinden, können wir davon ausgehen, dass weltweit genau die gleiche Menge Lithosphäre, die an Spreizungszonen gebildet wird, in den Subduktionszonen auch wieder weggenommen wird.

Abb.4.3.2: Bewegungen von Platten (= Flächen) auf einer Kugeloberfläche lassen sich immer als Rotationen darstellen. Die Rotationsachse wird auch als Euler-Pol bezeichnet (Meschede, 2022, unveröff.).

Die sich aus der Kugelform ergebenden geometrischen Zusammenhänge erkannte schon der Mathematiker Leonhard Euler im 18. Jahrhundert. Euler stellte fest, dass man alle Bewegungen von Flächen auf einer Kugeloberfläche als Rotationen betrachten kann.

Egal wie man die Fläche auf der Kugel bewegt, es lässt sich immer eine Rotationsachse finden, um die herum die Fläche bewegt wurde – so wie in Abb. 4.3.2 um die Rotationsachse herum im Uhrzeigersinn. Das Gradnetz, das hier zu sehen ist, entspricht nicht dem geografischen Koordinatensystem der Erde mit dem wir unsere Positionen, also Längen- und Breitengrad bestimmen. Es ist ein Gradnetz, das nur und ausschließlich zu dieser Rotationsachse gehört. Wenn man die gleiche Fläche in einer anderen Richtung bewegen würde, würde die Rotationsachse und auch das zugehörige Gradnetz anders liegen. Der Rotationspol wird nach dem Mathematiker Leonard Euler auch als Euler-Pol bezeichnet.

Die Lithosphärenplatten der Erde können wir vereinfacht als Flächen auf der Kugeloberfläche betrachten. Ein sehr einfaches System umfasst jeweils eine halbe Kugel, die beiden Halbkugeln bewegen sich gegenläufig zueinander. In der Animation ist zu sehen, wie die Platten sich voneinander wegbewegen. Die beiden Pfeile zeigen die Bewegung an. Zwischen den beiden Platten bildet sich ein Spalt, hier entsteht eine Spreizungszone. Platte A bewegt sich nach rechts, Platte B nach links. Wenn wir diese Bewegung aber entlang der schwarzen Linie nach oben und unten weiterverfolgen, kommen wir an einen Punkt, an dem das so nicht mehr stimmt. Die Platten, die ja Halbkugeln darstellen, müssen auf der Kugeloberfläche liegen bleiben. Daraus ergibt sich, dass die gleiche Fläche, die aus dem Spalt heraus entsteht, der sich durch das Auseinanderbewegen öffnet, auf der anderen Seite der Kugel wieder herausgenommen werden muss. Das passiert durch Übereinanderschieben, auf der Erdkugel sind das die Subduktiosnzonen. Und damit wird das Prinzip, das dahintersteckt, deutlich:

Wenn Spreizungszonen an einer Stelle aufreißen, muss es an anderer Stelle zur Wegnahme, also zur Bildung von Subduktionszonen kommen, damit die Grundbedingung, dass die Kugel immer komplett mit Flächen bedeckt bleiben muss, erfüllt ist.

Und noch etwas Weiteres fällt auf: Die Plattenbewegungsgeschwindigkeit variiert.

Sie ist am Rotationspol gleich Null, denn dort wechselt die Bewegung von Dehnung zu Subduktion bzw. Überschiebung. Die höchste Plattenbewegungsgeschwindigkeit wird am sogenannten Rotationsäquator erreicht. Das heißt, dass sich die Plattenbewegungsgeschwindigkeiten entlang ein und derselben Plattengrenze systematisch ändern. Dabei handelt es sich um die relativen Plattenbewegungsgeschwindigkeiten, d.h. wir schauen immer die Bewegung zwischen zwei benachbarten Platten an einem ganz bestimmten Punkt an. So bewegt sich z.B. die Pazifische Platte mit einer Geschwindigkeit von 9 cm/Jahr auf die japanische Nordinsel Hokkaido, die auf der Eurasischen Platte liegt, zu. Dieser Wert gilt nur dort. Wenn ich weiter nach Norden gehe und in der gleichen Subduktionszone weiterhin zwischen der Pazifischen und Eurasischen Platte bleibe, ändert er sich. Und diese Geschwindigkeitsänderung hängt eben mit der Rotationsbewegung der Platten zusammen.

Abb.4.3.3 (Animation): Zwei-Platten-Modell: jede Platte bedeckt eine Halbkugel. An der Linie bewegen sie sich voneinander weg, allerdings nur bis zum gemeinsamen Rotationspol. Auf der anderen Seite ist es umgekehrt, dort bewegen sie sich aufeinander zu. (Meschede, 2022, unveröff.).

In der Animation der Abb. 4.3.4 ist ein etwas komplizierter aufgebautes Zwei-Platten-Modell dargestellt, hier kommen als zusätzliche geometrische Elemente noch die Transformstörungen hinein, deren Prinzip in den vorigen Kapiteln 4.1 und 4.2 bereits erläutert wurde. Sie reichen immer nur von Segment zu Segment, aber nicht darüber hinaus. An den Eckpunkten wird die Bewegung von einer divergenten, wie in der Abbildung auf der rechten Seite, oder einer konvergenten, wie in der Abbildung auf der linken Seite, in eine Seitenbewegung transformiert.

Auch hier gilt, dass zwei Platten, die sich in unterschiedliche Richtungen auf der Kugel bewegen, immer einen gemeinsamen Rotationspol haben. Wichtig ist, dass dieser Rotationspol immer nur für dieses Plattenpaar gilt. Es gibt demnach auf der Erde mit ihren vielen großen und kleinen Platten eine Vielzahl von Rotationspolen, je nachdem welches Plattenpaar man betrachtet.

Sowohl der Rotationsäquator als auch der Rotationspol haben nichts mit dem geografischen Äquator und dem Nord- oder Südpol zu tun, die sich ja aus der Rotationsbewegung der Erdkugel als Ganzes ergeben. Hier handelt es sich um ein konstruiertes Bezugssystem mit Pol und Äquator das nur für die zwei Platten gilt, deren Bewegung untereinander man gerade betrachtet. Wenn man z.B. die Südamerikanische und die Afrikanische Platte betrachtet, dann haben diese beiden Platten einen gemeinsamen Rotationspol der bei knapp 60° geografischer Breite in der Nähe der südlichen Spitze von Grönland liegt und entsprechend liegt der dazugehörige Rotationsäquator 90° davon entfernt und befindet sich ungefähr 30° südlich des geografischen Äquators.

Abb.4.3.4 (Animation): Bewegungen von Platten auf einer Kugeloberfläche lassen sich immer als Rotationen darstellen. Zwei Platten, die sich aufeinander zu oder voneinander wegbewegen, haben einen gemeinsamen Rotationspol (Meschede, 2022, unveröff.).

Abb.4.3.5: Geometrie von drei Platten, die mit verschiedenen Typen von Plattengrenzen aneinandergrenzen (aus Frisch & Meschede, 2021).

In Abb. 4.3.5 ist ein System mit drei Platten dargestellt, die sich alle gegeneinander bewegen. Alle Bewegungen sind natürlich auch hier wieder Rotationen und zwar um die Rotationsachsen, die jeweils nur für ein Plattenpaar gelten. Die grüne Platte C bewegt sich unten von der roten Platte B weg. Auf der anderen Seite des Rotationspols befindet sich dagegen eine Subduktionszone. Genauso ist es zwischen der blauen Platte A und B. Links ist eine Spreizungszone und auf der anderen Seite des Rotationspols eine Subduktionszone. Man kann hier gut erkennen, dass die einzelnen Plattengrenzen ganz unterschiedlich ausgerichtet sein können, sie gehören aber dennoch zu einem gemeinsamen System. Und man sieht, dass auf diese Weise alle Platten auf der Erde miteinander in Beziehung stehen. Und wenn es dann größere Veränderungen in den Plattenbewegungsrichtungen gibt wie z.B. bei der Kollision Indiens mit Eurasien vor über 40 Millionen Jahren, dann sind die geometrischen Auswirkungen auf dem ganzen Erdkörper zu bemerken.